Eine Unterscheidung, die in der bisherigen Erforschung der Interaktion zwischen Mensch und Hund fehlt, ist die zwischen
- Attachment (kindliche Bindung)
- Social bond (soziale Bindung)
Die kindliche Bindung (Attachment – 1. Stufe der Soziogenese) ist asymmetrisch. Das Kind, bzw. der Welpe orientiert sich am Erwachsenen. Und hat keine andere Wahl.
Da die kindliche Bindung auf beiden Seiten weitgehend instinktiv angelegt ist, hat der erwachsene Bindungspartner auch kaum eine Wahlmöglichkeit. Dem eigenen Kind, den eigenen Nachkommen, wird größtmögliche Fürsorge entgegengebracht. (Ausnahmen findet man bei Menschen mit tiefgreifenden Persönlichkeitsstörungen, wie z.B. beim Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom)
Die während der Attachment-Phase gemachten (oder nicht gemachten) Erfahrungen sind jedoch Grundlage für die spätere Fähigkeit zur sozialen Bindung.
Die soziale Bindung (Social bond – 2. Stufe der Soziogenese) dagegen ist symmetrisch und beruht auf einer Wahl des Bindungspartners und ist normalerweise gekennzeichnet von einer gegenseitigen Orientierung aneinander.
Während bei Säugetieren es notwendiger Weise immer die kindliche Bindung, also die erste Stufe der Soziogenese gibt, so gilt dies nicht für die 2. Stufe, die soziale Bindung. Diese fehlt z.B. bei Füchsen, Katzen … die als Einzelgänger leben.
Die Unterscheidung ist u.a. wesentlich für den Bereich der kompensatorischen Erziehung von Hunden.
Auch ein Hund, der in den ersten Monaten (Attachment) keine oder schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht hat, kann zum Sozial-Hund werden, eine soziale Bindung an den Menschen eingehen.
Allerdings fallen solche Hunde leicht wieder in die (z.B. ängstlich/aggressiven, zwanghaften …) Verhaltensweisen des Solitär-Hundes zurück. Und der Aufbau der sozialen Bindung erfordert beim Menschen besonders ausgeprägte Fähigkeiten zum Beziehungsaufbau. Der Hund benötigt einen „important other“ mit den dargestellten Fähigkeiten.
Der Aufbau einer sozialen Bindung ist Voraussetzung für die kompensatorische Erziehung. Ein wesentlicher Weg hierzu führt über den Spiel-Hund.
Die Orientierung am Menschen, der Wechsel zum Sozial-Hund, ermöglicht es dem Hund, seine Ängste und daraus resultierende Verhaltensweisen (Flucht/Panik – Kampf/Aggression) etc. zu überwinden, was ihm allein als Solitär-Hund nicht möglich wäre.