Einer der zentralen Fehler der Forschung zur Interaktion von Mensch und Hund ist es, nicht zu unterscheiden zwischen
- Eigentümer (owner)
- primäre Pflegeperson (primary caregiver)
- wichtige andere Bezugsperson (important other)
„Eigentümer“ ist ein juristischer Begriff, der keinerlei Information über die soziale Beziehung zwischen Mensch und Hund beinhaltet – und von daher für die Erforschung der Mensch-Hund-Interaktion vollkommen ungeeignet.
Häufig fallen diese drei Rollen zwar zusammen, der Eigentümer ist zugleich die Pflegeperson und auch die wichtige Bezugsperson. Aber das muss nicht immer der Fall sein.
Vor allem fehlt häufig die „wichtige Bezugsperson“, und der Hund hat nur einen Eigentümer und auch jemanden, der ihm das Futter hinstellt und das Fell bürstet ….
Aber niemanden, an dem er sich orientieren könnte (Orientierung erleichtet die Habituation!), mit dem zusammen er Sozial-Hund sein kann.
So ist und bleibt er Solitär-Hund.
Man kann heutzutage immer wieder Menschen mit Hunden beobachten, die zwar gleichzeitig, aber eben nicht gemeinsam den gleichen Weg gehen. Bei denen schon von weitem sichtbar ist, dass es keine tiefere Beziehung zwischen Mensch und Hund gibt. Der Mensch also nicht der „important other“ für den Hund ist.
Und das meistens in Kombination mit Brustgeschirr und Schleppleine …
Aber wie werde ich zum „important other“ für meinen Hund?
1.) emotionale Zuwendung
Die emotionale Zuwendung sei hier als erstes erwähnt, weil sie insbesondere z.B. bei den Behavioristen einfach ignoriert wird.
Aber Hunde sind eben nicht nur Reiz-Reaktions-Automaten, sondern auch hochgradig soziale und kommunikative Wesen.
Und als solche benötigen sie auch unsere emotionale Zuwendung.
Vielen Menschen gelingt es aber leider nicht mehr, diese emotionale Beziehung zu ihren Hunden aufzubauen. Das Zusammenleben erfolgt nur gleichzeitig, aber nicht gemeinsam.
„That dogs feel sympathy with man will scarcely be questioned by any one who has known the companionship of these four-footed friends. At times they seem instinctively to grasp our moods, to be silent with us when we are busy, to lay their shaggy heads on our knees when we are worried or sad, and to be quickened to fresh life when we are gay and glad—so keen are their perceptions.
Their life with man has implanted in them some of the needs of social beings; and as they are ever ready to sympathize with us, so do they rejoice in our sympathy. To be deprived of that sympathy, to be neglected, to have no attention bestowed on them, is to some dogs a punishment more bitter than direct reproof.“
(Morgan, C. Lloyd 1890)
[Lloyd Morgan irrt natülich in dem Punkt, dass erst das Zusammenleben mit dem Menschen die sozialen Bedürfnisse im Hund erzeugt haben. Im Gegenteil waren diese Voraussetzung für die artübergreifende Kooperation.]
2,) Vorhersagbarkeit
Hunde leben im hier und jetzt, sie können sich aber in einer Situation erinnern an frühere Erlebnisse. Sie können auch nachdenken, aber nicht (grübelnd) zurückdenken.
Unvorhersehbarkeit führt zu Unsicherheit und Hilflosigkeit (siehe z.B. Seligman „Learned helplessness“).
Routinen und Rituale dagegen bieten dem Hund Sicherheit und Vorhersehbarkeit.
3.) Klarheit und Konsistenz
Eine klare, eindeutige Kommunikation über das, was man möchte oder nicht möchte. Und das für den Hund vorhersehbar, weil es so ist und bleibt.
Wenn ich ein Verhalten des Hundes nicht möchte, dies aber nur halbherzig kommuniziere, dann verstärke ich damit das unerwünschte Verhalten des Hundes.
Wenn ich jedesmal anders handele, dann kann der Hund nicht erkennen, was ich eigentlich von ihm will.
4.) Gemeinsamkeit
Der Mensch hat den Wolf nicht domestiziert, sondern ist mit ihm einen artübergreifende Kooperation eingegangen.
Möglich war dies, weil Mensch und Wolf (Hund) kompatibel und komplementär zugleich sind.
Kompatibel im Bereich der Sozialstruktur und Kommunikationsfähigkeit als Rudeljäger,
Komplementär im Bereich u.a. der Sinne.
Die Betonung liegt auf der Kooperation, dem gemeinsamen Handeln.
5.) Erziehung
Anders als die emotionale Zuwendung, deren Notwendigkeit einfach ignoriert wurde und wird, so ist Erziehung als negativ abgestempelt worden (siehe z.B. Alice Miller „Am Anfang war Erziehung“).
Aber Erziehung im eigentlichen und positiven Sinne ist die „Vermittlung des Wissens um die Welt„!
Das ist der zentrale Vorteil sozial lebender Tiere, dass sie das Wissen und damit einhergehende Verhalten von Generation zu Generation weitergeben können.
Und sich so immer neuen Umgebungen anpassen können, wie z.B. die Küstenwölfe ( https://www.phoenix.de/sendungen/dokumentationen/kanadas-kuestenwoelfe-a-2377389.html ) , die komplett neue Beuteschemata und Jagdstrategien entwickelt haben.
Als „important other“ erziehe ich meinen Hund im gemeinsamen Handeln in der Welt.
6.) Spielen
Mit Spielen ist hier das gemeinsame Spielen gemeint. Und zwar das erwartungslose, weitgehend mittellose (außer z.B. bei Zerrspielen) herumgekasper.
Apportieren ist eben kein Spiel, auch wenn es dem Hund Freude bereitet aufgrund u.a. der „Funktionslust“.
7.) Sicherheit
Die vorherigen Punkte geben dem Hund vor allem eines – Sicherheit.
Es ist die Beziehung zwischen Mensch und Tier, die entscheidend ist. Eine Beziehung, zu der manche Menschen mehr (siehe unten), andere weniger fähig sind.
„But there is no doubt that Portielje’s outstanding gifts, amounting indeed to genius, were displayed as Director of the Amsterdam Zoo. He was a man of commanding presence and powerful voice; altogether a tremendous personality. He once spent two or three hours taking me round his Zoological Gardens. It was an experience I shall never forget. He seemed to know all the animals personally and their response to him was quite extraordinary. He trumpeted to an elephant right across the gardens and got an inunediate response.
He went into the hippopotamus house, whereupon the hippo surfaced and opened its mouth in order to experience the apparently delicious sensation of having its palate gently scratched.
Similarly a rhinoceros squatted and managed to look sentimental.
We came to the lionhouse where there was a big male sitting closely against the bars. Portielje put his hand through and stroked the lion on the side of the face; getting in return a very slight raising of the lips into a snarl. … And so it went on. I particularly remember the delight which his appearance caused to a leopard who rolled about in ecstasy on seeing him. Portielje said he often went into the cage and romped with him, but in order to do that he had to put on special clothes or otherwise it became too expensive and messy.“
(Thorpe, W. H. 1979)